Gibt es ethische Forschung?


Forschung in den Naturwissenschaften wirft viele verschiedene ethische Fragen auf. Um neues Wissen zu erlangen reinigt der Zweck nicht die Mittel. Dabei kommt es nicht nur auf die Methode zur Erlangung von Wissen an, sondern auch an die Fragestellung an sich.
Ist es sinnvoll etwas zu erforschen, das weder im Alltag, noch zu sonstigen Zwecken relevant ist? Müssen wir wissen, ab wieviel Dezibel punkt genau das Trommelfell eines Hamsters platzt? Sollen wir herausfinden, welche menschliche „Rasse“ intelligenter ist? Oder welches Geschlecht intelligenter ist?
Brauchen wir ständig neue Haushaltsmittel für die chemische Substanzen in die Augen von Kaninchen getropft werden? Müssen immer und immer wieder neue Versuchstiere getötet werden, um diese für das Studium sezieren zu können, obwohl es Modelle gibt?

Schwieriger wird es bei der Erforschung von Krankheitsabläufen. Den Verlauf an verschiedenen Tierarten zu beobachten sagt uns zwar, wie sich Krankheiten bei diesen Tieren entwickeln, aber nicht, wie es beim Menschen ist. Es könnte ähnlich, gleich oder völlig anders sein. Es werden Mäuse auf möglichst frühes Krebswachstum gefüttert, man untersucht Alkoholismus an Ratten, um herauszufinden, wie Menschen danach süchtig werden, obwohl die gesellschaftlichen Einflüsse bei den Ratten gänzlich fehlen.
Den Verlauf an Menschen zu beobachten ist ethisch oft genauso fragwürdig. Ein gutes Beispiel ist die Tuskegee-Studie, bei der rassistische Ärzte afroamerikanische Menschen mit Syphilis beobachteten ohne sie zu behandeln. Interessant für die Ärzte war dabei nur noch die Autopsie. Obwohl bereits eine Behandlungsmethode bekannt war, wurde diese den Betroffenen vorenthalten. Sie starben qualvoll an ihrer Krankheit.

Wenn beispielsweise der Test eines neuen Medikaments am Menschen auf freiwilliger Basis besteht, kann das bedeuten, dass dieser Mensch das nur deshalb tut, weil er oder sie finanzielle Probleme hat.
Man erkennt bereits das Dilemma. Sinnvoll ist nicht immer gleich ethisch.

Um Herauszufinden, wie in der Forschung mit den verwendeten Tieren umgegangen werden soll, stellte sich in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger die Frage nach dem Schmerzbewusstsein verschiedener Tiere. Das kann dann erforscht werden, wenn Tiere in einer Situation ausgesetzt werden, von der wir annehmen können, dass sie ihnen Schmerzen bereitet. Das passiert oft mit Hilfe von Elektroschocks, aber auch indem Körperteile mit Säure eingerieben werden. Obwohl bei beinahe allen Tiere bereits konkrete Beweise für bewusstes Schmerzempfinden vorliegen, es gibt immer ein „obwohl“ oder „trotzdem“. Meistens von der Gesellschaft oder einer Gruppe von Menschen, die bestimmte Praktiken nicht aufgeben möchte: zB Jagen, fischen, Hummer essen, etc.

Auch im Biologie Studium stößt jeder früher oder später auf Tierversuche, auch wenn es sich nur um Prüfungsfragen handelt. Bei der ständigen Konfrontation mit dem Thema, wird die Botschaft vermittelt, all das sei normal und ist unumgänglich, auch wenn es nicht oft gut begründet ist. Auch Personen, die gegen Tierleid sind, können damit leicht überzeugt werden, dass wir alle Tierexperimente brauchen. Danach  sieht man gern auch bei weniger sinnvollen Versuchen eher weg.

Das Zusammenspiel von Forschung und Intuition ist für die ethische Entwicklung ausschlaggebend. Wir wissen von den allermeisten Tieren heute sicher, dass sie Schmerzen bewusst empfinden können, bei den anderen wissen wir, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit und das Potential gibt, bewusst Schmerzen zu empfinden.
Trotzdem wird auch an lebenden Organismen weitergeforscht und es sind bei weitem nicht einmal annähernd alle Versuche medizinisch Relevant.

Man erkennt die ethische Verantwortung besonders in den Naturwissenschaften, aber da Wissenschaft nie vollkommen objektiv sein kann, beeinflusst auch Speziezismus die Methoden um an Wissen zu gelangen. Die ForscherInnen sind selbst Teil unserer Gesellschaft und wuchsen in einem bestimmten Glaubenssystem auf.

Für Forschung entsteht oft viel Leid, das auch völlig ungerechtfertigt sein kann, wenn beispielsweise Ersatzmethoden bereits validiert worden sind. Die Quelle des Leids sind aber nicht böse unmoralische ForscherInnen, sondern eine festgefahrene ethisch einseitige Denkweise, die in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist.
Das soll keine Rechtfertigung für Tierversuche sein, sondern viel mehr ein Aufruf, die einseitige Denkweise zu verstehen, zu durchschauen und zu lernen diese zu hinterfragen, damit eine umfassende Ethik Verbreitung findet.